Hannah Schmider
Der Antrieb das Innere herauszuschälen
Aufgewachsen zwischen Waldrand und Ammersee hat Hannah Schmider nicht nur die Faszination von natürlichen Materialien wie Holz und Ton entdeckt, sondern auch ein Interesse an den vielfachen Formensprachen von Mensch und Tier entwickelt. Als Bildhauerin folgt sie dabei keinem reinen Naturalismus, sondern zielt durch subtile Reduktion auf den inneren Kern ihrer Figuren. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die immaterielle Gefühlswelt, die sich in ihrer Form offenbart.
In ihrem Zyklus „Gedankengänge“ gibt Schmider dem Unsichtbaren, Nicht-Physischen eine skulpturale Form. Als durchlöcherte Körper wachsen Gedanken mal rankenartig gewunden, fein verästelt, kraftvoll emporlodernd oder kreisförmig geschlossen aus den Figuren, greifen in den umgebenden Raum aus, öffnen sich zur Welt und hin zum Betrachter. Schmider erschafft derart hybride figürliche Gebilde und Fantasiewesen, die aufgrund des gewählten Werkstoffs und dessen künstlerischer Bearbeitung buchstäblich eine organische Einheit bilden.
Mit den „Gefährten“ widmet sie sich der Beziehung zwischen Mensch und Tier, die seitens des Menschen geprägt ist von Sehnsüchten, Wünschen und gefühlten Wesensverwandschaften. Tiere rühren uns, geben als Gefährten Kraft und Vertrauen, erfordern Fürsorge und schenken einen bereichernden, ungewöhnlichen Blick auf die Welt. Schmiders Paare aus Menschen und totemartigen Tieren hinterfragen diese Wechselbeziehungen und erlauben dem Betrachter, sich als teilnehmender Beobachter in dieses Verhältnis einzufühlen.
Aus dem Zusammenspiel von Holzstruktur und Schnittführung entwickelt Schmider Oberflächen, die dem Betrachter verschiedenste Stofflichkeiten suggerieren: Der weiche Flaum wärmender Vogelfedern, das zottelige Fell eines Eisbären oder der elegante Wintermantel einer Frau. Mittels einer lasierenden Kolorierung, welche teils die Struktur des Holzes durchscheinen lässt, verstärkt Schmider diesen Effekt. Zudem weisen ihre Figuren verschiedene Bearbeitungsgrade auf, thematisieren derart den bildhauerischen Formgebungsprozess als solchen und lassen ihn reflexiv werden.
Skulptur und Sockel, aus einem Stück gearbeitet, sind als Ganzheit konzipiert. Derart inszeniert, erhalten die Figuren exemplarischen Demonstrationscharakter und nehmen trotz ihrer Zierlichkeit selbstbewusst einen respektablen Bedeutungsraum ein, der eine Auseinandersetzung einfordert. Das kleine Format betont die hochpersönliche Seite der Figuren und fordert die Betrachtenden zum Näherkommen auf. In der Nahsicht erschließen sich deren ausdrucksstarke Gesichter, die trotz ihrer überraschend filigranen Ausarbeitung jedoch niemals manieriert wirken, sondern durch ihre Authentizität berühren.
Neben einem virtuosen Materialumgang zeichnet sich ihre künstlerische Begabung unter anderem durch das Vermögen aus, bewusst »Leerstellen« setzen zu können, ohne dabei den Eindruck des Unfertigen zu erwecken – im Gegenteil: vielmehr tritt das aufmerksam herausgearbeitete Wesenhafte als Wesentliches hierdurch nur umso nachdrücklicher in Erscheinung.
Die Skulpturen erhalten so nicht nur eine unmittelbare Lebendigkeit und ruhige Kraft, sie wirken auch auf mehreren Ebenen wie in einer konkreten Situation überrascht – eine Momentaufnahme der Bewegung im Raum, des Übergangs von bildhauerischer Bearbeitung zur Verkörperung lebendiger Natur.
Vita
Hannah Schmider
1985 geboren in Starnberg
lebt und arbeitet in Offenbach am Main
Ausbildung
2011-2015
Studium an der Hochschule für bildende Künste in Dresden bei Prof. Ulrich Eißner
2007-2010
Ausbildung zur Holzbildhauerin an der Schule für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen bei Michael von Brentano und Herbert Nauderer
Auszeichnungen/Stipendien
2023
Ottilie-Roederstein- Arbeitsstipendium
2022
Ruth – Leibnitz-Preis
2021
Brückenstipendium- Hessische Kulturstiftung
Stipendium für Solo-Selbstständige in Kunst und Kultur der Stadt Offenbach
Katalogförderung durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst
2020
Projektstipendium Kulturstiftung Hessen – „Hessen innovativ neu eröffnen“
Arbeitsstipendium Kulturstiftung Hessen – „Übergang meistern“
artig Kunstpreis (Shortlist)
2013
Europäischer Gestaltungspreis für Holzbildhauer 2013, 2.Preis Kategorie Nachwuchsbildhauer
Ausgewählte Ausstellungen
2023
Galerie Gans Wien – „Hidden Stories“
Galerie Goldwerk Rostock – „Eins, zwei oder drei“
Galerie Gans Wien – Art Austria
Galerie Bollhorst Freiburg
2022
Wanderausstellung Europäischer Gestaltungspreis für Holzbildhauer*Innen (Regierungspräsidium Karlsruhe, Schloss Rochsburg, Landesvertretung Baden-Württemberg in Brüssel)
Galerie das Bilderhaus in Ffm
Galerie Kunststücke München
Rumpenheimer Kunsttage
Galerie23 Gießen
Galerie Gans Wien Art Austria Highlights
2021
Arp Galerie Hanau – „Das Geheime wird das Offenbare“
BOK Galerie Offenbach – „ Das Geheime wird das Offenbare“
Open AteliAIR / Atelier Frankfurt am Main
2020
Kunstglühen in der Kunsthalle Rumpenheim
Kulturbeutel in der Bok Galerie Offenbach
Super-Corona-PopUp-Artstore im Haus der Stadtgeschichte Offenbach
Finalistenausstellung zum Artig Kunstpreis 2020 in der Galerie Kunstreich in Kempten/Allgäu
2019
Kunstansichten Offenbach
Fine Arts Kloster Eberbach
Hanauer Kulturverein – Tierskulpturenausstellung zu Ehren des Künstlers August Gaul in der Remisengalerie Hanau
2018
Rumpenheimer Kunsttage
„Das kleines Format“ – Galerie am Platz des Friedens Hanau
„Kunstglühen“ in Offenbach Kunsthalle Rumpenheim
Publikationen
2021
Katalog „Gedankengänge“