Sebastian Klug
Statement
Auf der Suche nach der Verbindung zwischen Bild und Objekt, dem Übergang vom Trägermedium zur Skulptur, der Synthese aus Fotografie und Raum… Meine künstlerische Arbeit bewegt sich zwischen den Genres, versucht abgesteckte Felder zu erweitern und scheinbar Gegensätzliches zu vereinen. Es gibt dabei wenig Orientierung an Schulen oder Traditionen, das meiste ist unerforscht und erschliesst sich erst Schritt für Schritt. Ein Arbeiten im Prozess.
Als ich nach Auslandssemestern während meines Architekturstudiums (TU Cottbus, Diplom 2010) in Venedig und Granada 2007 nach Berlin zog, fand ich in der Fotografie das kongeniale Ausdrucksmittel für meine (vor allem nächtlichen) Streifzüge durch die Metropole. Das Eintauchen und Festhalten verschiedenster Szenen mit meinem Nokia 6300-Handy, der hybride und herausfordernde Zustand, gleichzeitig Teilnehmer und Beobachter zu sein, ist für meine Arbeitsweise und das, was ich BesucherInnen vermitteln will, essenziell. Ein wichtiger erster Erfolg mit meinen Fotografien aus der Berliner Clubszene war meine Beteiligung beim Europäischen Monat der Fotografie 2010. Die Ausstellung in der Galerie Ina Köhler, die nur aus Backlit-Drucken in Leuchtkästen bestand, wurde zu einem Highlight des Festivals gewählt und motivierte mich, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen.
Das räumliche Denken und die Experimentierfreude mit Materialien, die ich aus dem Architekturstudium mitbringe, sind Eigenschaften, die von nun an eine Symbiose mit der neu entdeckten Fotografie eingingen. Die Frage, was ein Bild ausmacht, der ich mich in ständiger Korrespondenz mit dem Medium und seinen materiellen Grundlagen zu nähern versuche, hat mich zu einer eigenen Formensprache geführt, deren Vokabular sich unterschiedlicher Disziplinen entlehnt. Mein besonderes Interesse liegt dabei in der Auflösung von Randbereichen und festgelegten Kategorien, auf Hybridzuständen und Übergängen, auf dem Gleichzeitigen und dem Sowohl-als-auch.
Ausgehend von Fotografien, sowohl meinen eigenen als auch gefundenen und gefundenen und angeeigneten, baue ich Objekte, Skulpturen und Installationen, die spielerisch mit den Materialien der Bildträger umgehen und ihre optischen, haptischen und plastischen Eigenschaften ausloten. Meine ersten intermediären Arbeiten sind von der Aufsplitterung und Verfremdung der zugrundeliegenden Bilder geprägt. Durch das Schneiden und Verweben mehrerer identischer Drucke (oder eines Drucks mit einem anderen, nicht-fotografischen Material) entstehen Papier-Gewebe mit dreidimension-aler Oberfläche und manuell erzeugten Pixeln, die als haptisch-materielle Referenz an die technischen Grundlagen der digitalen Bildgenese gelesen werden können. Das Überspringen und Herausziehen einzelner Streifen aus dem gewebten Kontext lässt Papierreliefs entstehen, die Bild und Raum im Bereich von wenigen Zentimetern Tiefe verschmelzen lassen.
Ausgehend von diesen stark ans einzelne Bild gebundenen Arbeiten habe ich mich immer weiter in den Raum bewegt. Ein Meilenstein war 2021 die Realisierung einer begehbaren, immersiven Rauminstallation aus den Drucken zweier Fotografien im KUNSTLABOR 2 des MUCA München. Die in vertikale Streifen geschnittenen Bilder sind so an den Wänden und der Decke befestigt, dass sich eine wellenartige Struktur über den gesamten Raum zieht und Papierformationen entstehen lässt, die an Unterwasserwelten und Grotten erinnert. Die beiden zugrundeliegenden Bilder meiner Nokia-Serie werden so zu einem Bildraum, der dem aus der Malerei entlehnten Begriff eine neue Bedeutung gibt. Der multiplen, ortsunabhängigen Präsenz und ständig wiederholbaren Konsumierbarkeit digitaler Fotografie wird dabei ein klarer Ortsbezug und einmalige physische Erfahrbarkeit entgegengesetzt.
Seit diesem Projekt beschäftige ich mich vor allem mit dem Entwerfen und Bauen ortsspezifischer, immersiver (und manchmal auch kinetischer) Installationen, die sich inhaltlich und formal mit der Architektur und der Umgebung des Orts auseinander- setzen und sich auf sie beziehen. So konnte ich in den letzten Jahren begehbare Raumarbeiten für das Artspace-Bremerhaven Festival, den Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V., Glue Berlin, das Architects4Future- und Photoszene Festival in Berlin bzw. Köln und das Feel Festival in Brandenburg zu verwirklichen. Neben zahlreichen Ausstellungen in Europa und der USA wurde meine Arbeit 2019 im Rahmen von Artist Quarterly bei Sotheby’s München präsentiert und ich 2021 für den Preis der Nationalgalerie nominiert. In diesem Jahr erhielt ich die Kulturförderung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin und freue mich sehr über die Auszeichnung mit dem Rumpenheimer.Kunst.Preis DIANA 2023.
Berlin, Juli 2023
Vita
geb. 1981 in München
lebt und arbeitet in Berlin
Ausbildung
2002 Abitur Maxgymnasium München
2002-10 Architekturstudium TU Cottbus (Diplom 2010)
2004-05 Erasmus-Stipendium IUAV Venedig
2006-07 Free Mover-Stipendium ETSA Granada
2007-08 DAAD-Stipendien American University Cairo, Escola da Cidade Sao Paulo
2016-17 Fotografiestudium Neue Schule für Fotografie Berlin
Nominierungen, Preise, Förderungen
2023 Rumpenheimer.Kunst.Preis DIANA 2023 (1. Platz)
2023 Kulturförderung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg 2023
2021 Preis der Nationalgalerie 2021 (Nominierung)
2021 Erasmus+ Programm für KünstlerInnenassistenzen (receiving organization) in Kooperation mit der Accademia di Belle Arti Bologna 2021
Einzel-/ Duoausstellungen (Auswahl)
2023 „Materealities“, mit Antonia Gruber, Freundeskreis Willy-Brandt-Haus, Berlin und Beiste Kunstaum, Photoszene Festival, Köln
2022 „Werkschau“, KUNSTLABOR 2, München
2022 „Don’t look now! A voyeuristic view.“, mit Nadja Lana, Gallery N° 10, Berlin
2021 „Polyfowers//Technocolor“, mit Vanessa Leissring, Photoszene Festival, Köln
2021 „Le spectre nocturne – rouge“, Salon Gartenhaus Parterre, Berlin
2020 „Photographic Landscapes“, EMOP Berlin, Mainoeuvre, Berlin
2020 „Fragmented Realities“, mit Markus J. Becker, Andreas Reinisch Project, Berlin
2019 „Interwoven“, Artist Quarterly, Sotheby’s München
2018 „Blue Memories“, Monat der Fotografe Off, Bernheimer Contemporary, Berlin
2014 „O du mein holder Abendstern“, Team Titanic, Berlin
2013 „Nattens Moeder i Berlin“, Mellemrummet, Copenhagen
2010 „Durch die Nacht“, EMOP Berlin (Highlight), Galerie Ina Köhler, Berlin
2010 „Proyecto fnal: es was so schön bei dir Marie…“, Fenster 61, Berlin
2009 „In the Nighttime“, Galerie Fango, Cottbus
Gruppenausstellungen (Auswahl)
2023 „Feel Festival“, ortsspezifische Installation, Lichterfeld (Brandenburg), 2023
2023 „Keep your eyes peeled VIII“, AFF-Galerie, Berlin
2023 „Hdden Messages“, Installation, Glue Berlin
2023 „Weite Felder“, Ausstellung und Installation, Kunstgut Krahne
2022 „Architects4Future-Festival“, Installation, Atelier Gardens, Berlin
2022 „Mindscape“, Luisa Catucci Gallery, Berlin
2021 Rauminstallation im „KUNSTLABOR 2“ (MUCA Munich), München
2021 „Photoscenes, Flies and other Dots“, Direkte Auktion, Berlin
2019 „Stadtansichten in Malerei, Grafk, Fotografe“, Klostergalerie Hochfranken, Hof
2019 „Other Indentity – altre forme di identità“, Guidi & Schoen, Genua
2018 „Ansbach Contemporary“, Bienniale für zeitgenössische Kunst, Ansbach
2018 „Here 3“, Cavallerizza Irreale, Turin
2017 „Conception Arts: A Contemporary Show“, Dovetail Brewery, Chicago
2017 „Streamfow“, Bernheimer Contemporary, Berlin
2017 „Weinosten“, Hilbertraum, Berlin
2017 „Art Karlsruhe“, Messe, mit Bernheimer Contemporary, Karlsruhe
2016 „When did we stop playing?“, Anna Laudel Contemporary, Istanbul
2016 „Berlin Artweek Exhibition“, Enter Art Foundation, Berlin
2016 „Borders + Cities Skin“, Venice Art House, Venedig
2015 „A4 Quer – Die Lichtenberg Norm“, Galerie Zwitschermaschine, Berlin
2015 „ARTMUC“, Messe, Praterinsel, München
2014 „Shunga – Träume einer fiessenden Welt“, Glashaus/Arena, Berlin
2013 „Nighthawks Neukölln“, Galerie Michaela Helfrich, Berlin
2013 „Berlin meets Wiesbaden“, Galerie Grötecke, Wiesbaden
2012 „Portrait Salon“, London, Leeds, Cardiff und Brighton
2012 „Cell Phones in Summer“, Artspace at Untitled, Oklahoma City
2011 „Off the beaten tracks…“, Neonchocolate Gallery, Berlin
2011 „8. Berliner Kunstsalon“, Messe, Uferhallen, Berlin
2011 „Berlin – Choreographie einer Stadt“, Forum Factory, Berlin
Medien, Publikationen
2022 „BR Space Night“ – Interview mit Radioastronomen Dr. Heino Falcke im KUNSTLABOR 2, Bayerischer Rundfunk (BR Alpha)
2022 „Altre forme di identità culturali e pubbliche“, Interview, Exibart
2019 „Internationale Kunst in der Klostergalerie“, Frankenpost
2013 „Berlin What? 101 Contemporary Artists“, Buch von Oliver Thoben and Uwe Neu, Verlag Neue Sachlichkeit (ISNB 9783942139540), Berlin
2012 „Berlijn voor Gevorderden“, Buch von Jaco Boer, Vincent Kompier and Bram Vermeer, Amsterdam 2012 (ISBN 9789491481000)
2012 „Berlinoir“, Monographie, AGLU, Schottland (ISBN 9780954961244)
2012 „Super Massive Blackhole Magazine“, Issue 11
2012 „Berlijn danst“, Artikel von Jaco Boer, Tijd (Trouw), Amsterdam
2010 „Durch die Nacht, von der Sehnsucht nach Aufösung in 1000 Pixel“, Artikel von Ina Köhler, Museumsjournal 4/2010
2010 „Techno, Tristesse, Tacheles“, Artikel von Daniel Grinsted, Tagesspiegel